Das vom Ethno-Medizinschen Zentrum im Jahr 2003 ins Leben gerufene interkulturelle Gesundheitsprojekt „Mit Migranten für Migranten (MiMi)“ ist das wohl bundesweit erste Gesundheitsprojekt, das die derzeit empirisch erfassten Chancenungleichheiten der in Deutschland lebenden Migrantenbevölkerung durch einen so genannten „Lotsen-basierten Setting-Ansatz“ angeht und Migranten muttersprachlich und kultursensibel zur sinnvollen Nutzung des deutschen Gesundheitssystems und zu einer gesunden Lebensweise motiviert. Das Projekt wurde inzwischen an 64 Standorten in Deutschland und Österreich implementiert. Aufklärung mittels Infoveranstaltungen, Broschüren und Büchern sowie Kosteneffektivität und eine umfassende Qualitätssicherung sind Grundpfeiler des Projekts, welches von der WHO als nachhaltiges Konzept der Gesundheitsförderung für Migranten mit einer internationalen Case Study gewürdigt und im Jahr 2015 mit dem European Health Award (EHA) ausgezeichnet wurde.
Ausgangspunkt des MiMi-Projektes sind die Migrationsbevölkerung betreffende Ungleichheiten im Zugang zu den Angeboten des Gesundheitssystems. Um den Zugang zu diesen Angeboten nachhaltig zu fördern und integrativ zu gestalten, müssen die Angebote kultur-, diversitäts- und sprachsensibel und möglichst nahe am Lebensumfeld angesiedelt sein. Genau hier setzt MiMi an und baut somit eine Brücke zwischen Migranten und dem Gesundheitssystem. Dabei erscheint der Mediatoren-basierte, interkulturelle Setting-Ansatz besonders geeignet.
Infoveranstaltungen in Migranten-Settings
Nach der Ausbildung und der abschließenden Praxisprüfung führen die Gesundheitsmediatoren selbstständig Informationsveranstaltungen durch. Sie suchen ihre Zielgruppen, d.h. ihre Landsleute, in deren jeweiligen Lebensräumen auf und informieren sie kultursensibel und in ihrer Muttersprache zu gesunden Lebensweisen, Gesundheitsförderung, Präventionsangeboten und den Ressourcen örtlicher Gesundheitsdienste. Auf diesem Wege werden Migranten darin bestärkt, die vorhandenen Gesundheitsdienste und Vorsorgeangebote in Anspruch zu nehmen und ihre Kompetenzen im Bereich Gesundheitsverhalten fortzuentwickeln. Die Konzentration auf die Lebenswelten der Zielgruppen schafft ein Mindestmaß an Sicherheit, die jedoch unabdingbar ist, um sich auch über Unbekanntes oder zuweilen gar tabuisierte Themen austauschen zu können. Vertrauen ist zugleich die Voraussetzung dafür, dass die Informationen und gesundheitlichen Zusammenhänge auf- und angenommen werden.
Die Infoveranstaltungen finden etwa in Moscheen, Kirchen, Jugendhilfeeinrichtung, Betrieben, Kulturzentren, Bildungseinrichtungen, Sportvereinen, städtische Verwaltungsgebäude, Familienstützpunkte, Arztpraxen, Bürgerhäuser, Stadtteilläden, Seniorenbegegnungsstätten oder Flüchtlingsunterkünften statt. Die Gesundheitsmediatoren unterstützen die Teilnehmer beim Aufbau ihrer gesundheitlichen Eigenverantwortung. Zusätzlich werden die Migrantengemeinschaften mit mehrsprachigen Informationsmedien (Wegweiser) versorgt. Somit fungieren die Gesundheitsmediatoren als Brückenbauer zwischen weniger gut integrierten Migrantinnen und Migranten und dem deutschen Gesundheitssystem.
Interkulturelle Gesundheitsmediatoren als Brückenbauer
In einem ersten Schritt identifiziert MiMi gut integrierte Migranten mit möglichst hoher Bildung, die sprachlich versiert und als Rollenvorbilder geeignet sind. Die in Frage kommenden Personen sind in unterschiedlichen kulturellen Gesellschaften beheimatet und genießen häufig aufgrund ihres umfangreichen gesellschaftlichen Engagements bereits großes Vertrauen bei den Zielgruppen des Projektes vor Ort. Diese werden im zweiten Schritt in einer 50-stündigen Schulung, in der sie von Experten des Gesundheits- und Sozialwesens zum deutschen Gesundheitssystem und zu Themen der Gesundheit und Prävention sowie in methodischen Grundlagen der Erwachsenenbildung unterrichtet werden, zu interkulturellen Gesundheitsmediatoren ausgebildet.